Die Begründetheit arbeitsrechtlicher Kündigungen in der Insolvenz
Die Insolvenz eines Unternehmens hat weitreichende Auswirkungen auf bestehende Arbeitsverhältnisse. Grundsätzlich bleibt das Arbeitsrecht auch im Insolvenzverfahren anwendbar; besondere Vorschriften finden sich jedoch in den §§ 113 ff. InsO, die den Interessen des Insolvenzverwalters an einer raschen Sanierung oder Abwicklung des Unternehmens Rechnung tragen.
1. Allgemeine Voraussetzungen
Eine Kündigung während der Insolvenz ist nach denselben Grundsätzen wie außerhalb der Insolvenz zu prüfen. Das bedeutet: Sie muss sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sein. Der Insolvenzverwalter ist dabei kündigungsberechtigt (§ 80 Abs. 1 InsO), tritt also an die Stelle des Arbeitgebers. Die Begründetheit richtet sich nach den klassischen Kündigungsgründen:
- betriebsbedingt,
- personenbedingt oder
- verhaltensbedingt.
In der Insolvenz spielt in der Praxis nahezu ausschließlich die betriebsbedingte Kündigung eine Rolle.
2. Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz
Betriebsbedingte Kündigungen sind begründet, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Im Insolvenzverfahren kann dies insbesondere der Fall sein, wenn:
- der Betrieb stillgelegt oder verkleinert wird,
- eine übertragende Sanierung erfolgt, bei der nicht alle Arbeitnehmer übernommen werden können, oder
- eine Kostenreduzierung notwendig ist, um die Insolvenzmasse zu sichern.
Der Insolvenzverwalter muss diese wirtschaftlichen Gründe substantiiert darlegen. Es genügt jedoch, wenn die Maßnahme auf einem nachvollziehbaren Sanierungskonzept beruht; die Gerichte prüfen nicht die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Entscheidung.
3. Besonderheiten des § 113 InsO
§ 113 InsO erleichtert dem Insolvenzverwalter die Kündigung:
- Die Kündigungsfrist beträgt maximal drei Monate zum Monatsende, auch wenn vertraglich oder tariflich längere Fristen gelten.
- Die Vorschrift ist zwingend, d. h. abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.
Damit soll die Flexibilität des Insolvenzverwalters erhöht und eine geordnete Abwicklung ermöglicht werden. Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorzeitigen Beendigung (§ 113 S. 3 InsO), der als einfache Insolvenzforderung anzumelden ist.
4. Interessenabwägung und Sozialauswahl
Trotz Insolvenz bleibt die Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) grundsätzlich erforderlich. Der Insolvenzverwalter darf nicht willkürlich kündigen, sondern muss soziale Gesichtspunkte wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigen. Allerdings erkennt die Rechtsprechung an, dass betriebliche Erfordernisse der Sanierung eine Einschränkung der Sozialauswahl rechtfertigen können.
5. Ergebnis
Arbeitsrechtliche Kündigungen in der Insolvenz sind begründet, wenn sie auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt sind, die durch die Insolvenzlage veranlasst sind, und wenn der Insolvenzverwalter die Sozialauswahl beachtet. Die besonderen Kündigungsfristen des § 113 InsO ermöglichen eine zügige Anpassung der Personalstruktur. Die Insolvenz allein rechtfertigt jedoch keine Kündigung — sie muss stets auf einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung beruhen.
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