Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte
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1. Vorbemerkung
Durch die Änderung der Insolvenzordnung im Jahr 2017 rückte das Bargeschäftsprivileg aus § 142 InsO wieder mehr in den Fokus. In den Wochen vor der Insolvenz versuchen Betroffene häufig noch alles zu retten was möglich ist. Werden die übrigen Gläubiger nun dadurch benachteiligt, dass vor der Insolvenz noch zum Vorteil einzelner Gläubiger Vermögen abfließt, können diese Abflüsse mittels Insolvenzanfechtung vom Insolvenzverwalter zurückgeholt werden. Allerdings gibt es von dieser Möglichkeit auch eine wichtige Ausnahme: Das sogenannt Bargeschäft nach § 142 InsO. Der folgende Beitrag beschäftigt sich daher insbesondere mit dem Bargeschäft, welches einen gewissen Schutz vor der Insolvenzanfechtung darstellen kann.
2. Allgemeines zur Insolvenzanfechtung
Wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft oder einer natürlichen Person eröffnet wurde, überprüft der Insolvenzverwalter die vor der Insolvenz vom Schuldner erbrachten Leistungen. Stellt dieser fest, dass einzelne Gläubiger, beispielsweise durch Schenkungen oder andere unentgeltliche Leistungen, bevorzugt wurden, obwohl der Gläubiger die Überschuldung des Schuldners bereits kannte, kann der Insolvenzverwalter die Leistung anfechten und vom Gläubiger zurückfordern.
Die möglichen Anfechtungstatbestände sind in den §§ 129 ff InsO geregelt. Das Anfechtungsrecht ist eine gern genutzte Möglichkeit des Insolvenzverwalters, um Rechtsgeschäfte vor der Insolvenz anzugreifen und die Insolvenzmasse zu erhöhen. Anfechtbar sind nicht nur Zahlungen, sondern auch Dienst- und Werkleistungen. Dabei können in Extremfällen sogar Rechtshandlungen angefochten werden, die bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. Folge dessen ist es, dass Gläubiger teilweise erst etliche Jahre nach Erhalt einer Leistung vom Insolvenzverwalter zur Rückgewahr aufgefordert werden.
3. Das Bargeschäft als Ausnahmetatbestand im Anfechtungsrecht
§ 142 InsO regelt, dass Bargeschäfte nicht anfechtbar sind. Allerdings sind mit dem Begriff des Bargeschäfts keine Barzahlungen gemeint. Ein Bargeschäft liegt vor, wenn der Schuldner und der Gläubiger die vertraglich konkret geschuldeten und gleichwertigen Leistungen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang austauschen. Das Vermögen wird dabei wirtschaftlich nicht gemindert, sondern es wird lediglich ein Vermögenswert gegen einen gleichwertigen anderen ausgetauscht. Grundsätzlich ist dieser Tausch für die Gläubiger neutral. Nur in sehr engen Ausnahmefällen ist dieses dennoch anfechtbar, nämlich wenn der Schuldner trotz Gleichwertigkeit unlauter handelt und der Empfänger diese Unlauterkeit auch kennt.
Wenn ein solches Geschäft also bereits vor der Stellung eines Insolvenzantrags durchgeführt wird, kann dieses grundsätzlich nicht angefochten werden. Der Empfänger kann die Zahlung behalten. Allerdings muss der Anfechtungsgegner im Streitfall selbst das Vorliegen der Voraussetzungen darlegen und beweisen.
4. Berechtigung des Bargeschäfts
Fraglich ist, warum eine solche Ausnahmeregelung überhaupt erforderlich ist. Dies lässt sich damit erklären, dass das Bargeschäft nicht zu einer Schmälerung der Haftungsmasse führt, sondern nur zu eine Vermögensumschichtung. Soweit die Gegenleistung nämlich gleichwertig ist, wird der Abfluss aus dem Vermögen des Schuldners, der die übrigen Gläubiger zunächst einmal benachteiligt, durch die Gegenleistung kompensiert.
Darüber hinaus ist es auch erforderlich, dass Unternehmen in der Krise die Option haben, Leistungen zu beziehen und anfechtungsfest bezahlen zu können. Wäre dies nicht möglich, wäre wohl kein Gläubiger mehr bereit an der Geschäftsbeziehung festzuhalten, da das Risiko einer späteren Anfechtung zu groß wäre. In Folge dessen müsste der Geschäftsbetrieb schon mit Beginn der Krise eingestellt werden. Damit wäre aber auch die anzustrebende Sanierung des Unternehmens von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
5. Vertragsgemäßer und unmittelbarer Leistungsaustausch
Voraussetzung für das Vorliegen eines Bargeschäftes ist es, dass die ausgetauschten Leistungen sachlich unmittelbar zusammenhängen, d.h. sie müssen auf derselben rechtlichen Vereinbarung beruhen. Folglich kann die Rückzahlung eines Malerbetriebsdarlehns nicht dadurch bargeschäftlich ausgeglichen werden, dass derselbe Malereibetrieb weiter Farbe an den Schuldner liefert. Nur bei der Bezahlung der jeweiligen neuen Bierlieferung läge der geforderte sachliche Zusammenhang vor.
Ferner müssen die Leistungen auch vertragsgemäß sein. Ein Bargeschäft scheidet daher bei sogenannten inkongruenten Leistungen von vorneherein aus. Wenn also der Schuldner eine auf Zahlung gerichtete Forderung des Gläubigers durch eine Warenlieferung erfüllt, kann sich der Gläubiger nicht mit dem Bargeschäftseinwand gegen die Anfechtung wehren. Somit reicht für die Annahme eines Bargeschäfts kein allgemeiner wirtschaftlicher Zusammenhang aus, indem Leistungen grundsätzlich auf einer mehr oder weniger weit gefassten Geschäftsbeziehung beruhen.
Darüber hinaus ist ein Bargeschäft ausgeschlossen, wenn zwar die objektiven Voraussetzungen hierfür vorliegen, der Schuldner aber zu defizitär wirtschaftet. Also so, dass die Gegenleistung des Gläubigers wegen der fortdauernden Verluste keinen Nutzen mehr hat, sondern nur das „Leiden“ verlängert.
6. Grenzen des Bargeschäfts
Zwischen den Leistungen muss auch ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen. Nicht erforderlich ist aber, dass das Geschäft direkt an der Ladentheke Zug um Zug abgewickelt wird. Auch erfasst ist der zeitlich versetzte Leistungsaustauch, wenn der Zeitraum zwischen den wechselseitigen Leistungen „nach Art der Ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ noch als hinreichend kurz bezeichnet werden kann. Die Länge des zulässigen Zeitraumes hängt von der Art des Geschäftes ab. Als Faustregel gilt ein Zeitraum von bis zu 30 Tagen. Kein zeitlich üblicher Austausch liegt vor, wenn der Charakter des Kreditgeschäftes überwiegt.
Irrelevant ist die Reihenfolge der Leistungen. Es ist also egal, welche Partei vorleistet. Es liegt aber ein Vorteil für den insolvenzbedrohten Schuldner Vorleistung darin, dass es der Gläubiger selbst in der Hand hat für eine rechtzeitige Gegenleistung zu sorgen. Wenn der Gläubiger nämlich selbst vorleistet kann er nur noch hoffen, dass der Schuldner rechtzeitig leistet. Daher sollte der umsichtige Kaufmann bei Anzeichen einer Unternehmenskrise des Vertragspartners nicht mehr in Vorleistung treten.
7. Bargeschäft und Arbeitsverhältnis
Für Arbeitnehmer hat die Rechtsprechung den Zeitraum der „üblichen Zahlungsfristen“ im Hinblick auf den Arbeitslohn ausgedehnt. Wir erinnern uns insofern, dass Arbeitsrecht in der Sache ausschließlich Arbeitnehmerschutzrecht darstellt.
Die Besonderheit besteht darin, dass Zahlungen auf Arbeitslohn trotz gegenteiliger vertraglicher Vereinbarungen in einem Zeitraum von bis zu 3 Monaten noch unter den Begriff des Bargeschäfts subsumiert werden können.
Am Ende wird alles gut – sonst kann es auch noch nicht zu Ende sein!
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Ihr
Hendrik A. Könemann
Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Insolvenzrecht